prickeln

Das Licht der Kerzen reflektiert sich in den Fensterscheiben und Cocktailgläsern. Stimmengewirr und leises Lachen erfüllen den Raum, vermischen sich mit der Musik und dringen unbewusst bis in jene Regionen des Gehirns, die ein wohliges Gefühlt der Entspannung auslösen. Wir haben uns sehr lange nicht gesehen, reden über Belangloses und die Tagespolitik. Während der Abend voranschreitet wird die Musik langsam lauter, der Raum dunkler und das Funkeln der Kerzen immer geheimnisvoller. Unvermittelt traut sie sich: Du wirst immer schöner, sagt sie. Ich blicke verwundert in ihre sehnsuchtsvollen Augen und merke, wie ich rot werde.

Habseligkeiten

Zu den Gegenstände, denen eine besondere Beziehung zu ihrem Bestitzer innewohnt, gehören sicherlich Bücher. Besonders in einer Generation, in der der Buchbesitz nicht selbstverständlich war. So zeugen Bücher von einer Person, auch wenn diese schon lange nicht mehr unter uns weilt. Anhand der Titelauswahl ist auf Interessen und Vorlieben zu schließen, anhand der Zustandes der Bücher darauf, was gerne und oft gelesen wurde. Vereinzelte Widmungen oder gar selbst verfasste Vorworte berichten von Orten und Ereignissen, die längt vergangen und vergessen sind. Ernüchternd ist es dann, den monetären Nicht-Wert dieser Bücher zu erfahren. Viel sinnvoller erscheint es, sie einfach herzuschenken in der Hoffnung, dass das eine oder andere einen neuen Leser findet, der es schätzt - obwohl die Zeit des Buches längt ebenso abgelaufen ist wie die des ursprünglichen Bestizers. Aber ach wie illusorisch...

Flüchtig

Die U-Bahn ist überfüllt, wie immer im morgendlichen Berufsverkehr. Eng sitzt man nebeneinander, müde Gesichter, graue Mimik. Die Bahn hät, die Tür geht auf, eine Mutter mit Kind an der Hand und Kind im Kinderwagen steigt ein. Der Sohn, etwa 3 Jahre alt, strebt auf einen soeben frei gewordenen Platz zu und klettert hinauf. Stolz über die erbrachte Leistung streckt er die kurzen Beine aus und stößt dabei mit seinen Kinderschuhen an die Beine des Gegenübers. Gequältes Lächeln des Betroffenen, das Kind macht das ja nicht mit Absicht, aber die Schuhe, sie sind doch sicher schmutzig...das Kind lächelt glücklich zurück. Dreht den Kopf zum Fenster, stützt das Kinn auf die klebrige Gummiabdichtung der Scheibe, presst die Stirn gegen die schmierige Glasscheibe, dreht sich wieder zurück und grinst glückselig in die Runde. Ein Lächeln huscht über die wächsernen Gesichter der Gegenübersitzenden. Verschämt bemerkt man es, blickt sich gegenseitig fast entschuldigend ob soviel positiver Emotion an. Das Kind, nun ja, es weiss noch nicht, dass es eigentlich nichts zu lachen gibt. Schnell kehrt Ruhe ein. Doch da, aus dem Kinderwagen ertönt freudiges Gegluckse. Kleine Finger sind erkennbar, die nach den am Kinderwagengriff befestigten Luftballons greifen, sie nicht erwischen, zurückfallen, von gurgelnden Geräuschen untermalt. Ein neuer Versuch, ein freudiger Laut, ein Luftballon ist erhascht und - löst sich von seiner Befestigung. Ein halblauter Aufschrei der Mutter lässt alle Köpfe aufblicken und dem Lufballon folgen, der vom Fahrtwind unterstützt durch den Wagon tänzelt. Erste Hände greifen ins Leere, dann ist er gefangen, aber nur für Sekundenbruchteile. Eine wilde Jagd geht los, der Ballon, jeder möchte ihn wenigstens berühren, am liebsten fangen. Die nächste Station ist vergessen, wer wagt es schon die Tür zu öffenen, der Ballon könnte entkommen. Schon wird die Bahn langsamer, da gelingt es einem jungen Mann, den Ballon zu greifen. Lachend trägt er ihn unter dem Applaus der Mitreisenden zur Mutter.
Kurz darauf öffnen sich die Türen, Mutter, Ballon und Kinder verschwinden und zurück bleibt ein nicht mehr ganz so flüchtiges Lächeln auf allen Gesichtern.

Du

Der zu starke Kaffee ist nicht weiter schlimm,
das hartgekochte Frühstücksei nicht weiter tragisch,
die Überschwemmung im Bad - nicht der Rede wert,
denn ich, ich bin nicht weiter traurig.

Hast du gesehen?

Hast du gesehen, die Morgensonne scheint durch das Fenster. Das Eichhörnchen, es klettert den Baumstamm hinauf, eine große Nuss zum Frühstück im Mund. Hast du gesehen, der Wind spielt in den Bäumen und die ersten Blätter fallen sacht ins feuchte Gras. Hast du gesehen, der Raureif schläft noch auf den Glasscheiben der Autos und die Tageszeitung ist nass vom Regen der Nacht. Du hast es nicht gesehen, denn ich habe dir einen Kuss auf die Wange gegeben und dich weiter schlafen lassen.

Sammeltrieb

Wir gehen in der Brandung spazieren. Schon lange haben wir das nicht mehr gemacht. Ziellos immer an der Küstenlinie entlang. Der Blick schweift über das Meer, die endlos heranrollenden Wellen klatschen gegen die nackten Beine mit den hochgekrempelten Hosen. Stundenlang möchte man denken, stundenlang könnte ich hier spazierengehen, frei von jeglichen Gedanken, einfach nur im Wasser planschend.
Beim Blick auf die nassen Füsse sehe ich sie: Eine kleine aber feine Muschel, glänzend im Sand. Ich hebe sie auf, ein Impuls, der dem Menschen wohl ihnnewohnt. Es ist schön, also hebe ich es auf. Dort, einen Schritt weiter, eine ganz andere Muschel, eine große Schnecke, wie sie nur hier im Süden vorkommt. Verdreht und verwinkelt und komplett erhalten, schon halte ich sie in meiner Hand.
Wir ahnen, wie es kommen wird: Die Hände voller Muscheln, jede ein Unikat, jede mit ihrem besonderen Reiz. Dann werden die Hosentaschen gefüllt, Muscheln und Sand, am Abend im Zimmer ausgebreitet und bewundert. Und natürlich eingepackt, irgendwo im Koffer findet sich noch ein Plätzchen. Zu Hause dann erhalten sie noch eine Weilte die Urlaubserinnerungen wach, bis sie allzubald verblasst zu erst in der Schublade und dann leise im Müll verschwinden. Natürlich sollte ich sie gar nicht erst einpacken, nein, gar nicht erst aufheben. Höchstens eine kleine, zur Erinnerung, die Schönste aller Muscheln. Wenn ich mich nur entscheiden könnte....

Jemand

Hallo.
Hallo ruft er. Durch die städtischen Hinterhöfe klingt es unnatürlich laut. Einfach nur Hallo. Die Gespräche in den Gärten ringsum verstummen. Man lauscht. Ein Kind ruft Hallo!. Ein Hallo als Antwort. Das Kind ruft kein zweites Mal. Die Gespräche werden wieder aufgenommen. In unregelmäßigen Abständen ertönt sein Hallo. Sonst nichts. Im immer gleichen Tonfall. Nicht fragend. Nicht mehr auf Antwort hoffend? Vielleicht um zu zeigen: Hier bin ich. Ich bin noch da. Ich weiss, dass ihr da draußen seid. Warum antwortet ihr mir nicht, kommt vorbei. Hallo.
Wir alle kennen das Hallo. An Sommerabenden ertönt es oft, so lange, bis die Pflegerin kommt und ihn vom Balkon des Altenheims wieder in sein Zimmer schiebt. Sie gibt ihm vielleicht die Illusion, dass sein Hallo nicht ungehört verhallt.

Vorspulen

Die Regentropfen brennen auf der nackten Haut. Hagelkörner prickeln wie Brausepulver, bevor sie auf dem erhitzen Asphalt zerschmelzen. Menschen flüchten mit verzerrter Miene unter Vordächer.
Ich warte, bis die Wolke direkt über mir ist. Dann renne ich laut schreiend mit ihr um die Wette.

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